„Die sich verändernden Lebens-, Arbeits- und Freizeitbedingungen haben entscheidenden Einfluss auf die Gesundheit. Die Art und Weise, wie eine Gesellschaft die Arbeit, die Arbeitsbedingungen und die Freizeit organisiert, sollte eine Quelle der Gesundheit und nicht der Krankheit sein.“
Mit diesem Zitat der Weltgesundheitsorganisation (WHO) aus dem Jahr 1986 habe ich meine Bachelor-Thesis begonnen und mit diesem Zitat möchte ich heute, sechs Jahre später meinen Blogbeitrag über Stress und das Stresshormon Cortisol einleiten. In diesem Beitrag werde ich erklären, was ein Stau und ein Säbelzahntiger gemeinsam haben, wie die Relikte der Steinzeit unsere Figur beeinträchtigen können und welche köstlichen Lebensmittel den Cortisolspiegel reduzieren können.
Was ist „Stress“?
Der Begriff „Stress“ wird umgangssprachlich oft für psychische Belastungen verwendet. Dabei handelt es sich um physische Reaktionen auf herausfordernde Situationen, die als wichtig eingeschätzt werden, jedoch nicht bzw. nicht angemessen bewältigt werden können, wie beispielsweise ein Stau.
In solchen Situationen aktiviert dein Körper Stressreaktionen – evolutionäre Aktivierungsmuster, die deine Energieversorgung für Kampf und Fluchtsituationen optimieren und bestimmte Hormone wie Cortisol ausschütten, um den gesamten Körper in Alarmbereitschaft zu versetzen.
In der modernen und oft bewegungsarmen Zeit werden diese Aktivierungsmuster jedoch nicht in Kampf- und Fluchtsituationen abgebaut, sondern bleiben als psychische und körperliche Spannungszustände bestehen. Stell dir einfach vor, ein Säbelzahntiger verfolgt dich den ganzen Tag – mit genügend Abstand, um zu fliehen, aber immer in deinem Sichtfeld.
Es ist intuitiv verständlich, dass diese Spannungszustände die Gesundheit negativ beeinflussen können.
Stress und Gesundheit
Wie bereits beschrieben, reagiert der Körper auf Stress mit einer Alarmreaktion, bei der Cortisol ausgeschüttet wird und verschiedene physische Reaktionen auftreten: Das Herz fängt an schneller und kräftiger zu schlagen, das Blut wird in die Muskulatur gepumpt, die Gefäße verengen sich, die Verdauungsprozesse fahren runter, die Harnproduktion wird eingestellt, die Haut sowie die Organe werden weniger durchblutet. Diese Reaktionen sind nützlich, wenn es darum geht, akute Bedrohungen zu bewältigen, wie beispielsweise einem Säbelzahntiger zu entkommen.
Wenn du im Auto sitzt und Dich über den Stau aufregst, kann dein Körper ähnliche physischen Reaktionen wie bei einer Flucht vor einem Säbelzahntiger zeigen, welche potenziell gesundheitsschädigende Folgen haben können, wie zum Beispiel die Entwicklung von Typ-II-Diabetes. Besonders dann, wenn die psychischen Belastungen zunehmen und anhalten, kann dein Körper vermehrt Stresshormone produzieren und Entzündungen im Körper auslösen, was das Risiko für chronische Erkrankungen erhöhen kann.
Wenn du also die Straße entlang rennst, blickst du zurück und bemerkst, dass der Säbelzahntiger nicht mehr in Sicht ist. Die Sache wäre beinah schiefgelaufen, aber zum Glück war dein Kreislaufsystem in der Lage, die hart arbeitenden Muskeln mit Energie und Sauerstoff zu versorgen, um deine Flucht zu ermöglichen. Die Energie, die das Stresshormon Cortisol aus deinen Fettdepots mobilisiert. Aber wie speichert dein Körper die Energie dort?
Jede Mahlzeit, die du zu dir nimmst, wird im Magen-Darm-Trakt in einzelne Moleküle zerlegt: Aminosäuren aus Proteinen, freie Fettsäuren aus Fett und einfache Zucker aus Kohlenhydraten. Insbesondere letztere lösen die Ausschüttung des Hormons „Insulin“ aus, welches die Zellen öffnet um Moleküle zu speichern. Dieser Mechanismus bereitet deinen Körper darauf vor, dass der Säbelzahntiger jederzeit zurückkehren kann.
Stress und Cortisol mobilisieren die gespeicherte Energie. Häuft sich der Stress, kommt es aufgrund der aufwändigen Mobilisierung der Energie zur Alltagsmüdigkeit. Kontinuierlicher Stress blockiert somit die Ansprechbarkeit der Zellen auf Insulin und es kann zu einer Insulinresistenz kommen, bis hin zu einem Typ-II-Diabetes. Nach dem Motto: „Der Säbelzahntiger kann jederzeit zurückkehren, wir haben keine Zeit, die Energie zu speichern.“
Cortisol? Insulin? Typ-II-Diabetes? Hat dies nicht auch etwas mit der Gewichtszunahme zu tun?
Stress und Gewichtszunahme
„Sergey, wie kann ich am besten am Bauch abnehmen?“ Eine Frage, die ich sehr oft gestellt bekomme. Die kurze Antwort lautet „Indem du dein Stress- und Blutzuckermanagement optimierst.“ Aber wie hängen Stress und Bauchfett zusammen?
Psychologen der Yale Universität haben bereits im Jahr 1991 herausgefunden, dass chronischer, unkontrollierbarer Stress zur regionalen Fettansammlung innerhalb des Bauchraums von Ratten führen kann. Sechs Jahre später wurde dieser Zusammenhang auch in mehreren Studien unter vollständig kontrollierten Bedingungen bei Menschen nachgewiesen: Das Bauchfett hängt von den Hormonen Insulin und Cortisol ab.
Bei meinen Kundinnen und Kunden führe ich regelmäßig eine Körperanalyse durch und beobachte, dass insbesondere mit zunehmenden Alter die Pölsterchen am Bauch zunehmen. Isst man in etwa im fortgeschrittenen Alter mehr Zucker oder hat man einfach mehr Stress? Weder noch.
In dem Buch Warum Zebras keine Migräne kriegen: Wie Stress den Menschen krank macht aus dem Jahr 2004 beschreibt der Neuroendokrinologe Robert M. Sapolsky wie sich die Stressantwort bei zwanzigjährigen und achtzigjährigen Personen unterscheidet.
Sobald die Körpertemperatur durch das Einsetzen des Stressors „Kälte“ sinkt, braucht der Körper eines Achtzigjährigen länger, um auf die normale Körpertemperatur von 37 Grad zurückzugelangen. Das gleiche gilt für die kognitive Leistung bei einem IQ-Test für den Stressor „Zeitdruck“. Die beiden Fälle zeigen, dass die physische Stressantwort des menschlichen Körpers mit zunehmendem Alter beeinträchtigt wird.
Eine weitere Gruppe von Wissenschaftlern untersuchte im Jahr 1985 eine altersbedingte physische Stressantwort während einer dynamischen körperlichen Betätigung bei 24 gesunden Männern im Alter von 22 bis 77 Jahren. Im Ruhezustand waren weder die Herzfrequenz noch die maximale Sauerstoffaufnahme altersabhängig. Auf einem Laufband zeigten jedoch beide Werte eine starke Beziehung zum Alter. Im fortgeschrittenen Alter weist der Körper bei einer dynamisch körperlichen Betätigung eine erhöhte hormonelle Antwort auf. Nach dem Sport brauchten die älteren Männer länger zum „herunterkommen“.
Je älter man ist, desto wichtiger wird daher das Optimieren des Stressmanagements. Das zeigt auch die Geschichte der Jäger der Steinzeit: Bereits mit 20 Jahren blieb man als Clan-Chef in der Höhle, statt an einer stressvollen Jagd teilzunehmen.
Stress und Muskelaufbau
Das Hormon Testosteron ist für den Muskelaufbau bei Männern und Frauen verantwortlich. Das Stresshormon Cortisol wirkt wiederum umgekehrt proportional zu Testosteron und kann dessen Produktion unterdrücken.
Im Jahr 1972 untersuchten Forscher die Auswirkungen dieser Unterdrückung auf den Testosteronspiegel bei 18 jungen Männern einer Offiziersanwärterschule. Die Plasma-Testosteronspiegel waren während des frühen Teils des Kurses im Gegensatz zu den Spiegeln während des späteren stressigen Teils signifikant niedriger.
Nicht nur der Muskelaufbau ist bei Dauerstress beeinträchtigt, sondern auch der Muskelerhalt. Wie bereits im Blog Muskelaufbau für Männer ab 50 beschrieben, sind große Muskeln für den Menschen evolutionsbedingt ein Luxus, während die Energiebereitstellung in Kampf- und Fluchtsituationen überlebenswichtig ist.
Deine Muskeln sind mit Proteinen gefüllt. In geringem Ausmaß ist deine Leber in der Lage die Proteine in eine Energiequelle umzuwandeln. Wenn du chronisch gestresst bist und den ständigen Abbau von Proteinen auslöst, haben deine Muskeln keine Chance sich zu regenerieren.
8 Tricks gegen Stress
Wie du bisher gelernt hast und sicherlich aus dem Alltag weißt, kann es für Stress viele Auslöser geben. Die Stressantwort auf unterschiedliche Situationen könnte aber von Person zu Person nicht unterschiedlicher sein. Während eine Person entspannt im Stau sitzt, sieht eine andere Person ein zweiminütiges Anstellen in der Warteschlange als gravierenden Übergriff in die eigene Zeit an. Für den zuletzt genannten Typ Mensch haben Kardiologen sogar einen Begriff geprägt: „Typ-A-Menschen“.
Stress und Cortisol sind nicht grundsätzlich negativ. Entscheidend ist hier der Wechsel zwischen Be- und Entlastung. Unter dieser Prämisse ist meine Empfehlung: Messe deinen Cortisolspiegel. Das kannst du ganz einfach und schnell zu Hause tun, indem du den diagnostischen Speicheltest der Mainzer Firma medivere GmbH verwendest: Stressprofil oder Stress & Erschöpfung Plus Test.
Ist dein Stressprofil nicht optimal, dann probiere eine oder mehrere der folgenden Techniken in deinen Alltag zu implementieren:
Krafttraining funktioniert wie ein reinigender Filter – Stress und schlechte Laune verwandeln sich schon nach 15 Minuten Personal Training in ein Lächeln.
Gesunde regelmäßige Mahlzeiten bestehend aus Protein, Gemüse und gesunden Fetten halten deinen Blutzuckerspiegel konstant. Sinkt er, beginnt dein Körper Cortisol auszuschütten. Meide außerdem Nahrungsmittel, die du nicht verträgst (z.B. Getreideprodukte, Milchprodukte).
Tiefer Schlaf senkt die Stressantwort auf Herausforderungen einer als wichtig eingeschätzten Situation. Ausgeschlafen treffen wir bessere Entscheidungen. Mehr zum Schlaf hier.
Dunkle Schokolade reduziert Cortisol. Das haben Wissenschaftler im Jahr 2009 herausgefunden. In dieser Studie konsumierten 30 Probanden 14 Tage lang 40 g dunkle Schokolade. Nach 2 Wochen hatte die Probanden eine deutliche Reduktion des Cortisolspiegels.
Koffein aus Kaffee, Energy-Drinks oder Cola stimulieren die Cortisolproduktion. Trinke maximal 2 Tassen Kaffee am Tag, die letzte Tasse bis 14:00 Uhr.
Finde heraus, was dein „System“ runterfährt. Dies könnten zum Beispiel Atemübungen, Meditation, Musik, Hörbücher, ein Spaziergang oder ein heißes Bad sein.
Herzhaftes Lachen reduziert Cortisol. Ein Kind lacht durchschnittlich 400-mal am Tag, ein Erwachsener hebt in derselben Zeit nur 15-mal die Mundwinkeln. Die Kammerspiele Wiesbaden und die Café Wilhelm Comedy Nacht schenken dir jede Menge Lacher.
Gute soziale Kontakte senken nachweislich die Stressantwort. Eine Langzeitstudie der Harvard Universität zum Thema Glück, in der Personen über bis zu 85 Jahre verfolgt wurden, hat nachgewiesen, dass enge Beziehungen wie Ehepartner, Familie, Freunde und soziale Kreise in einem starken Zusammenhang mit Glück stehen. Dabei betont der Direktor des Projekts, Dr. Robert Waldinger: „Persönliche Verbindung erzeugt mentale und emotionale Stimulation, die automatische Stimmungsaufheller sind, während Isolation ein Stimmungszerstörer ist“.